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Das Tor zur Unterwelt -
eine humorvolle Kurzgeschichte über kleine Nachwuchs-LARPer
ca. 4 Kindle-Seiten
Das Tor zur Unterwelt
von Tom Stark
»Ich nehme meine Axt und brate dem letzten Gobbo eins über!«
Max, neun Jahre alt, im realen Leben Schüler, Mittelfeldspieler und Schwester von Lisa, heute aber als Zwergenkrieger Olombragarodogosch, kurz Olo, unterwegs, rollte seinen W20.
»Ha, 19 - Voll auf die Ömme, hehe!«
Jonas, sein großer Bruder, schmunzelte, nickte und gab das Resultat bekannt:»Unser mutiger Olo schwingt seine legendäre Axt und spaltet den frechen Goblin in zwei Teile.«
»Boa, voll fett, Alter!«, bekam Max bzw. Olo Zuspruch von seinem Mitkämpfer.
Dieser hieß im wirklichen Leben Michael, wurde aber nur Micky gerufen, stellte an diesem Mittag jedoch den furchtlosen Halblingsdieb Drofo dar, Ähnlichkeiten mit bekannten Romanfiguren waren natürlich rein zufällig. Micky war der beste Kumpel von Max und auch Schüler, was er aber lediglich als Nebentätigkeit ansah und Stürmer im selben Fußballverein wie Max, was er durchaus als Hauptberuf ansah. Das heißt natürlich bis auf Pen and Paper . Rollenspiele.
»Ich durch' seine Taschen und schau', was ich abstauben kann!« War er sofort mit bei der Sache.
»Hey, und ich?«, rief Lisa, die Zwillingsschwester von Max und das einzige Mädchen in der Gruppe, pardon, gemeint ist selbstverständlich Bluminariel, die einzige Elfenzauberin.
»Was ist mit Dir?«, fragte Jonas seine kleine Schwester.
»Ich darf mal wieder gar nix!« Sie schmollte übertrieben.
»Aber Du hast doch selbst gesagt, dass Du die Klopperei mit den Goblins doof findest und lieber Kräuter und Blümchen sammeln gehst?« Jonas war etwas hilflos ob den rasant wechselnden Launen seiner Schwester.
»Blumi ist am Heulen, Blumi ist am Heulen!«, fing der Zwergenkrieger aka ihr Bruder Max an zu singen.
»Gar nicht!«
»Wohl!« »Nööö!« »Doooch!«
»Jetzt ist aber gut, ja? Sollen wir weitermachen?« Jonas versuchte die Spielleitung wieder in seine Hände zu bekommen und grinste heimlich, als er sich an die Zeiten erinnerte, als er so alt gewesen war. Da hatten sie keinen älteren Bruder, der die Abenteuer leitete und so hatten sie sich abgewechselt. Drachenreitende Zwergen-Armeen und Halblingskommandos mit magischen Bazookas waren bald die Folge gewesen.
Bevor er fortfahren konnte, trat eine junge Frau an den Tisch, der auf dem Balkon stand, den man vom Garten aus betreten konnte. Marlene war die Schwester von Micky, hatte ihn, wie so oft, bei Jonas, der schon studierte und gerade Semesterfreien hatte, abgeladen. Sie selbst hatte Berufs-Schule und ihre Eltern waren beide berufstätig. Jonas hatte ein Händchen für Kinder fand Marlene und nicht nur dafür, und er war billiger als ein Kindermädchen.
»Na, Leute, die Bösen verprügelt und eine Menge Beute gemacht?«
Marlene war Anfang Zwanzig und die Freundin von Jonas. Natürlich hatte auch sie so einiges vom Drachentöten, Riesen verzaubern und Schätze plündern mitbekommen - zwangsläufig. »Boa, jo. Is' voll krass abgegangen heute. Danke Jonny.« Micky klatschte sich mit Max ab und packte seinen Kram zusammen. Jonas lächelte und erhob sich ebenfalls vom Tisch.
»Los Zwerge ...«
»...und Zwerginnen!«, fügte Lisas schnell hinzu.
»... und natürlich auch Zwerginnen, Schluss für heute!«
Er umarmte Marlene und sofort umarmten sowohl Max als auch Micky sich selbst, spitzen ihre Münder übertrieben und hauchten heiße Küsse in die Luft!
»Schmatz, Schmatz, Schlabber!«, seufzte Max übertrieben.
»Oh Schnuckelpuschelschatz, oh Mäuselöwenzähnchen!«, schmachtete Micky, bevor er von seiner großen Schwester eine unsanfte, aber erzieherisch nötige, Kopfnuss bekam.
Um Max kümmerte sich derweil Lisa. »Au, Jonny, Lisa hat mich getreten!«
Der grinste. »Und womit?«
Max schaute seinen Bruder an, als ob der bescheuert wäre. »Wie, womit? Womit trittst Du denn zu?«
»Mit Recht, kleinen Bruder, mit Recht!«
Max verdrehte die Augen und stellte damit ein Spiegelbild seines Freundes Micky dar.
Jonas löste sich von Marlene: »Okay, Zwerge!«
»Und Zwerginnen!«
»... und Zwerginnen! Wollen wir am Samstag unser Abenteuer im Unterreich fortsetzen?«
Die drei Kids jubelten, aber Marlene bremste sie.
»Moment, Jonas, hast Du etwa vergessen, dass Du am Wochenende«, sie räusperte sich und schmunzelte, »das Tor zu ... meiner Unterwelt ... aufstoßen wolltest?«
»Tor zu Deiner Unterw ... oh, ohh?! Ja, klar!«
Schulterzuckend und nun ebenfalls mit einem breiten Grinsen, wandte er sich an die minderjährige Nachwuchsheldenfraktion.
»Sorry, Zwerge - ja, ich weiß UND Zwerginnen! -«, kam er Lisas Einwurf zuvor, »aber Marlene und ich haben am Samstag unser eigenes Rollenspiel.«
»Boa, klingt cool«, staunte Max.
»Können wir da auch mit machen?«, fragte Micky.
Sowohl Jonas als auch Marlene lachten. Lisa musterte die beiden skeptisch.
»Nö, geht nicht, Leute. Das ist so 'ne Art Live Action Role Play, okay? Dafür seid ihr noch zu klein.«
Am Samstag, sehr früh, trafen die drei Kids sich, wie verabredet, heimlich in der Garage.
»Sie hat zu Papa gesagt, sie geht heute mit Freundinnen auf eine Nachtwanderung« ,wusste Micky seinen Freunden zu berichten.
»Und Jonny hat ein Zelt eingepackt und gesagt er geht am Breitenkopf zelten.« Lisa hatte ihren Bruder mehr oder weniger heimlich beobachtet. Eigentlich war sie ihm so lange auf die Nerven gegangen, bis er es ihr schließlich verraten hatte. Kleine Schwestern hatten eben genauso ihre Tricks wie zauberkundige Elfinnen.
»Also soll das L.A.R.P. beim Breitenkopf abgehen!«, bestätigte Max.
»Wir haben also ein Zelt, Schlafsäcke und Essen.«
Lisa, als das geheime Mastermind hinter der Aktion war zufrieden.
»Sollen wir unsere Kostüme gleich jetzt oder erst da anziehen?«
Max zuckte die Schultern, doch Micky war dafür.
»Sonst müssen wir noch mehr Zeug mitschleppen.«
Also zogen sie sich an. Jeder hatte versucht ein Kostüm zu kreieren, was am ehesten den Helden aus ihrem Rollenspiel entsprach.
Mangels einer plausiblen Rüstung und der Tatsache, dass ihm Papas Brandaxt aus der Werkzeugkiste zu schwer war, hatte Max sich für sein Jedi-Lichtschwert entschieden und eine Toga aus einem Bettlagen und diversen Sicherheitsnadeln fabriziert.
Lisa hatten leider nichts gefunden, was einer elfischen Robe auch nur nahe gekommen wäre, sich daher spontan für ihr Ballerina-Kostüm vom Karneval und einen selbstgebastelten Zauberstab aus einer noch unbenutzten WC-Bürste entschieden, deren Bürstenteil sie mit pinken und hellblauen Farben bemalt und mit Glitzersternen beklebt hatte.
Micky hatte zu seinem großen Bedauern kein Ninja-ähnliches Kostüm gehabt, aber die Batman-Maske mit Allzweckgürtel und Cape, kam seiner Ansicht nach dem schon nahe. Ein längerer und ein kurzer Schleifstein-Stab mit Griff, stellten seine Dolche dar.
Mit dem Bus kamen sie problemlos in die Nähe des freien Campingplatz am Breitenkopf und nun hieß es marschieren.
Zum Glück kannte sich Max gut aus, denn Jonas hatte ihn schon zweimal mitgenommen und so wusste er auch, wo der sein Zelt aufschlagen würde. Er fuhr öfters hier heraus, zum Lernen, wie er sagte, weil die Zwillingszwerge - und Zwerginnen - ihn zuhause zu sehr auf Trab hielten.
Es dämmerte bereits, als Lisa zum wiederholten Male ihren Bruder anmaulte. »Wir haben uns DOCH verlaufen!«
»Nee, gar nich' ...« »Doch, wohl!« »Gar nich'!!« »Doch wooohl!!!«
Da hörten sie ein Auto, das gerade anhielt. Die Türen wurden geöffnet und zugeschlagen.
»Diese Heimlichtuerei nervt. Wann sagen wir es Deinem Vater endlich?« Das war eindeutig die Stimme von Jonas. Beruhigt beendeten die Zwillinge ihren Streit und pirschten, zusammen mit Micky, leise darauf zu.
»Mach Du Dein Examen und ich meinen Abschluss an der BS, dann können wir versuchen, es ihm schonend beizubringen.« Das war Marlene.
Es entstand eine atemlose Pause und sofort umarmten sich Max und Micky wieder selbst und fingen an hemmungslos heiße Küsse in die Luft zu schmatzen.
»Ihr seid ja sooo doof!«, schimpfte Lisa leise und bekam als Antwort Fratzen gezogen.
»Na, was soll's?«, hörte man Jonas sagen. »Wollen wir zuerst das Zelt aufbauen oder ...« - bedeutungsschwangere Pause - »... schon einmal Dein Tor zur Unterwelt ein bisschen aufstoßen, nur zur Einstimmung?«
Da brachen johlend ein Lichtschwert schwingender Jedi-Ritter-Zwergen-Krieger und ein Batman-Halblings-Dieb mit Schleifsteindolchen aus den Hecken; die zierliche Elfen-Balarina-Zauberin mit glitzerndem WC-Bürstenzauberstab kam hintendrein stolziert.
»Hey, wir wollen auch durchs Tor zur Unterwelt, nehmt uns mit!«
Jonas wurde hochrot, während Marlene nach einer Schrecksekunde einen fürchterlichen Lachanfall bekam. »Was meinst Du?«, flüsterte sie endlich Jonas ins Ohr. »Also, wenn es bei der alten Breitenkopfruine kein verwunschenes Tor gibt, dann weiß ich auch nicht.«
Jonas seufzte schicksalsergeben. »Lass uns nur eben daheim anrufen. Sonst geben die noch eine Zwergen-Vermissten-Meldung raus ...«
Wenn es eine Moral zur Geschichte geben sollte, dann vielleicht diese:
Tore zu Unterwelten gibt's mehr, als man gemeinhin annimmt.
08.12.2017
Tom Stark - zum Lesen geeignet