Tom Starks virtueller Schreibtisch

... und was man alles so darauf finden kann.

Ein (un)gewöhnlicher Paladin -

eine Kurzgeschichte aus dem D&D-Universum

ca. 5 Kindle-Seiten

Ein (un)gewöhnlicher Paladin

von Tom Stark

 

Leeves Dawnsong zuckte leicht zusammen, als die zierlichen sanften Finger der jungen Frau über die neuste, gerade einmal oberflächlich verheilte Wunde strichen.

Er betrachtete die sehr hübsche und sehr nackte Schwarzhaarige, die sich eng an ihn geschmiegt hatte soweit sie konnte, ohne sich zu bewegen. Was er sah gefiel ihm ausnehmend gut. Ihre Haut war beinahe schneeweiß und ließ ihr Haar durch den Kontrast noch schwärzer wirken, obwohl er genau wusste, dass es einen interessanten Silberstich hatte, den man von so einem, aus seiner Sicht, blutjungen Mädchen, nicht erwartet hätte.

 

»Schmerzt es noch sehr, mein geliebter Held?« Ihre Stimme war wie ein Honig gegossener Glockenton, rein, hell und so unschuldig. Dennoch lächelte er. Sie war ja so pathetisch!

»Nicht der Rede wert, meine Schöne. Habe schon weitaus Schlimmere Treffer für weitaus größere Dummheiten eingesteckt.«

Sie räkelte sich noch mehr an ihn. »Eine Dummheit war es für Euch, mich zu erretten von dem garstigen Oger? Zu bewahren meine Unversehrtheit und das Ende zu vereiteln, welches ich zweifelsohne im Magen dieses Ungetüms gefunden hätte?«

Ja, sie sprach die ganze Zeit so, als hätte sie einen Barden verschluckt.

»Nicht Eure Rettung war die Dummheit, holde Dame«, er verdrehte die Augen, jetzt fing er auch noch so lyrisch an, »aber den Oger nur mit einer Armvoll Feuerholz anzugreifen, das war wahrlich eine Torheit!«

Er hatte wahrlich, wahrlich gesagt!? Die Kleine verdrehte ihm ganz ordentlich den Kopf, das war dem Veteranen zahlloser Bettgeschichten wohl bewusst. Aber er war nun Mitte Fünfzig, körperlich konnte er es noch mit jedem unerfahrenen Achtzehnjährigen locker aufnehmen, dennoch verirrten sich nicht einmal annähernd so viele junge Dinger in sein Bett, wie das noch vor zehn oder gar zwanzig Jahren der Fall gewesen war. Also nahm er, was er bekommen konnte, natürlich nicht alles. Er hatte ja seinen Stolz.

Für eine Weile schmiegten sie sich still aneinander. Sie war weich und roch gut und sie war die perfekte Liebhaberin. Erstaunlich eigentlich, aber zu viel wollte er nicht darüber nachdenken.

»Ihr habt eine wundervolle Rüstung« ,sagte sie leise. Er folgte ihrem Blick zu seiner fein säuberlich neben dem Gepäck aufgestapelten Plattenrüstung. Sie strahlte im Licht des Morgens in allen Rotfarben und die goldenen Schuppen eines Drachens, ein Geschenk seines Gönners und Freund Gyldfwyr, verliehen ihr noch einmal einen zusätzlichen Glanz. Der mächtige Bidenhänder Morgenstreich, lag mit blanker Klinge daneben, eigentlich in Griffreichte, wäre der Kopf der schönen Dame nicht gerade auf seinem Waffenarm zum Liegen gekommen und dort unverrückbar, als wäre das ihr angestammter Platz im Leben.

»Warum hattet Ihr sie nicht an, als ihr gestern zum See kamt? Warum wart ohne Schwert?«

Er lachte. »Auch ein Paladin des Morgenlords, geht nicht in Rüstung zum See, wenn er nur baden will und etwas Feuerholz für die Nacht sammelt.«

»Ihr seid ein wahrhaftiger Paladin?« Ihre Stimme war kaum mehr als ein ehrfürchtiger Hauch.

»Wahrhaftig, ja.« Er schmunzelte als er ihren prüfenden Blick auf seinem stoppelbärtigen Gesicht sah. Zugegeben, ohne Rüstung machte er nicht unbedingt den paladinhaftesten Eindruck. Dafür hatte er aber bislang geglaubt, anderweitig genug Eindruck hinterlassen zu haben. Daher erstaunten Ihn die nächsten Fragen doch ein wenig.

»Ihr seid ein Paladin, und liegt nun im selben Lager, wie die unberührte, arglos badende reine Magd, die Ihr noch Abend zuvor vor einem Ungeheuer errettet habt? Ist das denn mit Euren Ordensregeln vereinbar?«

Er musterte sie eingehender. Was für eine Frage und in was für einer Lage? Wäre er zwanzig, nein dreißig, gut, vierzig Jahre jünger, vielleicht hätte ihn das ernsthaft ins Straucheln gebracht. Auch seine Vorstellungen eines Paladins waren in der Jugend ein wenig hochgesteckt und wenig wirklichkeitsnah.

»Um den letzten Teil Eurer Frage vorweg zu nehmen: Ich bin in ein Paladin, keiner der Mönche, der durch Enthaltsamkeit seinen Körper zu einem Ideal formt. Zudem ist Lathander, mein Herr ganz sicher kein Gott, der es gutheißt, wenn man sich ohne Not, den schönen Gelegenheiten des Lebens verschließt, solange man sich nur auch nicht den hässlichen Notwendigkeiten verweigert.«

Sie lächelte, ein sonderbares, weises Lächeln, was noch mehr aus ihren silbergrauen Augen kommt, als von ihren samtenen Lippen, die ihm einen beruhigenden Kuss auf die Wange drücken. »Das war der zweite Teil. Ihr wolltet noch auf Teil Eins eingehen?« Ihr Tonfall war leicht, ihr Lächeln verschmitzt, verschwunden war das schüchterne Mädchen und in seinen Armen lag nun eine Frau, die ihm weit besser zu den Erfahrungen der vergangenen Nacht zu passen schien.

»Ihr, meine Liebe, seid vieles, aber bestimmt nicht arglos. Und keine reine Magd, wie Ihr es so blumig versteht auszudrücken, kann einem Mann das geben, was Ihr mir letzte Nacht schenktet. Nicht, dass ich unglücklich bin. Bitte, schöne Dame, nur weil Ihr wisst, dass mein Handwerk viel Gestech und körperliche Tüchtigkeit benötigt«, er lächelte sie an und am Glitzern in ihren Augen sah er, dass sie seinen Doppelsinn wohl verstanden hatte, »müsst Ihr nicht meine Intelligenz beleidigen. Die Paladine meines Herrn mögen nicht die aufopferungsvolle Hingabe derer Ilmaters, oder die unerschütterliche Pflichterfüllung derer Torms, oder gar den unbeirrbaren Gerechtigkeitsinns derer Tyrs in sich tragen, doch wir sind die Sucher nach dem Neuen hinterm Horizont. Wir streben in die Fremde, wagen uns ins Unbekannte, wagen ein Abenteuer, wenn es sich uns bietet. Dementsprechend oft fallen wir auf die Nase, dementsprechend oft erheben wir uns mit einer neuen gelernten Lektion des Lebens.«

Langsam löste sie sich von seiner Seite und setzte sich rittlings auf ihn. »Ich habe die Unwahrheit gesagt. Ihr wart ja gar nicht ohne Schwert am Ufer, glaubt ja nicht, ich hätte es nicht bemerkt!«

Er grinste. Er wusste nur zu gut, dass sie sein Schwert gesehen hatte und nur allzu gut wusste, wo es zu finden war und wie sie es für sich benutzen konnte.

 

Auf angenehme Weise erschöpft und ausgeruht zugleich, erwachte er Stunden später. Der Mond zeigte sich kaum noch halbhoch am Himmel.

Sie war fort.

Automatisch machte er sich Sorgen. Es war seine Art jene zu beschützen, die in Not waren. Außerdem liebte er es die Dinge auf die richtige Art zu tun. Das war kein eherner Kodex, den es galt Wort für Wort zu befolgen. Es war vielmehr eine Einstellung zum Leben. Und jemand, den man gerettet hatte, den brachte man auch ganz in Sicherheit und verließ ihn nicht einfach nach der Rettung, ohne sicher zu sein, dass keine Gefahr mehr drohte.

Schnell fand er die Spur ihrer nackten Füße. Sie führte Richtung See und diesmal ging er gerüstet und mit Morgenstreich bewaffnet.

Die Fußspuren verschwanden im See, der silbern und glatt wie ein Spiegel vor ihm lag.

Plötzlich, ohne ihn jedoch zu erschrecken, erhob sich das Wasser, einer Decke gleich, unter der sich jemand aufrichtete. Wohl acht Schritt hoch erhob sich die Mitte des Sees, bevor er wie ein Seidentuch zurückglitt und den silbernen Kopf eines Drachens samt seinem langen, ebenso silbernen Hals freigab.

Die rundschildgroßen silbergrauen Augen des Drachens betrachteten den gerüsteten Mann am Ufer.

»Diesmal kommt Ihr wahrlich gerüstet und gegürtet, Paladin der Morgenlords.«

Wahrlich, das war er diesmal.

»Meine schöne Dame.«, er verneigte sich mit einem Blitzen in den Augen vor der silbernen Drachin.

»Mein edler Held.« Auch in den fremdartigen Drachenaugen war dieses Blitzen unverkennbar. »Seit wann wusstet Ihr es, was hat mich verraten?«

»Ein Oger, der leichtfüßig wie ein elfischer Waldläufer daherkommt, dessen Schritte ich weder hörte, dessen Geruch ich nicht vernahm, und der nicht einmal Fußspuren im weichen Ufer hinterlässt?« Er lachte. »Eine gute Inszenierung, aber wie ich schon sagte, »er tippte sich immer noch lachend gegen die Stirn, »der Dienst für meinen Herrn ist nichts für engstirnige Geister.«

»So seid Ihr gekommen um Abschied zu nehmen.« Die Stimme der Drachin enthielt Wissen aber einen Hauch Wehmut.

»So ist es. Ich ziehe weiter, den Horizont vor Augen, auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer, der nächsten Queste, die mein Herr für mich bereithält.«

»Und auf der Suche nach der nächsten Frau, die euch nächtens wärmt und Euer Herz, wenngleich auch nur für eine Nacht in Händen hält?«

 

Er verneigte sich stumm und legte seine Rechte auf die Brust.

»Sagt mir, mein Galan, bedeutet Euch eine Liebschaft überhaupt etwas?«

Leeves Dawnsong nahm sein Legendenschwert auf die Schulter, schenkte der Drachin ein verliebtes, zugleich bedauerndes Lächeln. »Ohja, meine Liebe, jede Einzelne ist bedeutsam und zu jedem Zeitpunkt war und ist jede einzelne, die Einzige die zählt.«

Dann wandte er sich um und verließ das Reich der Silberdrachin.

Der Morgen würde bald anbrechen und er stand einem Paladin gut an, noch vor seinem Gott aufzustehen, um ihm beizeiten seinen Lobpreis zu singen, am besten mit der Straße unter den Füßen, dem einem Abenteuer hinter sich und dem nächsten vor sich.

 

 

08.12.2017

Tom Stark - zum Lesen geeignet