Tom Starks virtueller Schreibtisch

... und was man alles so darauf finden kann.

Größenvergleich - ein alter Witz in eine Kurzgeschichte gekleidet

ca. 4 Kindle-Seiten

Größenvergleich

von Tom Stark

 

Die Taverne "Zum Königsbecher" hatte selbst in den wohlwollensten Augen eines volltrunkenen Zechers nicht auch nur das kleinste Bisschen Königlichkeit aufzubieten.

Die Läden, so denn welche vor den Fenstern hingen und diese nicht zugenagelt waren, hingen lose in den verwitterten Angeln, die Bretter der Wände wiesen mitunter Spalten auf, durch die eine Katze bequem schlüpfen konnte.

Der schäbige Eindruck setzte sich Innern beinahe nahtlos fort. Der Boden bestand aus festgetrampeltem Lehm, der jedoch an einigen vielsagend duftender Stellen aufgeweicht war, besonders in den dunklen Ecken und unmittelbar vor der Theke, die das einzige wirklich massive Möbelstück des gesamten Schankraums darstellte.

Treublum Butterfass, der Wirt, machte seinem Namen hingegen wirklich Ehre, denn er schien tatsächlich ein Fass mit zwei kurzen Beinen, zwei kräftigen Armen und einem fast kahlen Kopf zu sein, über dessen Glatze lange Haarsträhnen von links und rechts gekämmt waren, vom Schweiß und Fett so festgeklebt, dass sie wie aufgemalt wirkten. Gerade eilte der bauchige Inhaber der Schenke hinter dem Tresen hervor und wollte einem Gast aufhelfen, der seine Hilfe jedoch energisch abwinkte.

Jener Gast passte in die Taverne, wie ein Goldtaler auf einen Kuhfladen, wenngleich das große Veilchen, welches nun sein sonst bildschönes Gesicht zierte, auf wundersame Weise für Integration sorgte. Stöhnend setzte er sich wieder auf die Bank, von der er eben noch so unsanft heruntergeholt worden war.

Gut sichtbare Ohrspitzen ragten aus dem langen goldblonden Haar hervor, was gerade wenig elegant und wirr um seinen Kopf hing. Eines der großen wunderbar tiefen spahirblauen Augen schwoll zusehends zu. Das sonst selbst in der tiefsten Wildnis faltenfreie und saubere Wams, gehalten in den verschiedenen Braun und Grüntönen des Waldes, sah nicht nur aus, sondern roch auch nach dem Unrat des Bodens, den man offensichtlich gerade mit ihm bzw. dessen Träger aufgewischt hatte.

 

»Beim Barte meiner Ahnen, das habt Ihr Euch lange und reichlich verdient, Elboglas. So wahr ich Grimmbart Donnerhammer heiße, hätte Thorgar Euch nicht endlich das Maul gestopft, ich hätte Euch die hübsche Nase selbst plattgedrückt. Es gibt einfach nur ein gewisses Maß an Arroganz, das ein Normalsterblicher ertragen kann, selbst von einem Elbenprinz.«

Der Zwerg, der zu seinem elbischen Gefährten gesprochen hatte, besaß volles rotes Haar, wenngleich er das meiste davon in einem dichten Bart trug, welcher zu drei kunstvollen Zöpfen geflochten war. Das schwere Kettenhemd und die Rüstungsplatten aus feinstem Zwergenstahl und der schwere Kriegshammer, der aufrecht und griffbereit neben ihm stand, ließen ausgiebigen Gebrauch, aber auch ausdauernde Pflege erkennen.

Der dritte Gast am Tisch hielt sich vornehm zurück. Eine graue Kutte umhüllte die große hagere Gestalt, ein grauer Bart, nur unwesentlich weniger dicht als der seines zwergischen Kameraden, verdeckte alle Gesichtszüge bis auf die energische Hakennase und die funkelnden schwarzen Augen, die wie kleine Obsidianstücke, amüsiert unter einem ebenfalls grauen Hut mit enormer Krempe und langer abgeknickter Spitze hervor blitzten.

Statt eines Kommentars, zog er an seiner langen dünnen Pfeife und blies einige verspielte Rauchringe in die Luft. Er musterte dabei verstohlen den vierten Gefährten im Bunde, den hünenhaften Babaren, der an der Theke lehnte und knirschend vor Wut den Wirt anherrschte:

»Met, Du Fettkloß, aber zackig, bevor ich mich vergesse und diese Bruchbude einstampfe.«

Butterfass beeilte sich der Bestellung nachzukommen.

Der kahle Schädel des Barbaren war mit fremdartigen, sich windenden Tätowierungen überzogen, die sich auch über die linke Hälfte seines Gesichts zogen und auf den Schultern und Armen fortsetzte. Allein die spatenblattgroßen Hände hätten genügt, den Wirt eiligst den Wünschen dieses Gastes nachzukommen zu lassen. Gerade als der Riese einen weiteren Humpen hinunterstürzten wollte, öffnete sich die Tür mit jenem Schnarren der alten Angeln, das selbst Untoten einen Schauer über den Rücken treiben konnte.

Die kleine Person, die hereintrat, verdunkelte kaum das hereinfallende abendliche Licht.

In einfache Kleidung gewandet, wie sie sowohl der Landsmann als auch Stadtbewohner trug , trat ein Halbling herein, lüftete höflich seinen unscheinbaren Hut und grüßte freundlich, sogar fröhlich in die Runde: »Die Götter zum Gruße, werte Herrschaften.«

Weder der misstrauische Blick des Zwergenkriegers, als auch das verächtliche Schnauben des barbarischen Hünen schienen ihn anzufechten, womöglich bemerkte es nicht einmal. Mit einem vergnügten Lächeln auf dem pausbäckigen Gesicht kam er geradewegs auf die Theke zu, wobei seine nackten, stark behaarten Füße mit traumwandlerischen Sicherheit stets die wenigen unratfreien und trockenen Flecken am Boden fanden. Ohne zu zögern ergriff er sich einen wackeligen Stuhl und stellte ihn dicht an den Thekenrand, bevor er hinaufkletterte und so wenigstens bis knapp zu seiner Brust darüber hinausragte.

»'nabend auch. Wär's möglich ein Bier zu bekommen und vielleicht was zu essen? Egal was, bin da nicht wählerisch. Der Hunger treibt's schon rein, stimmt's?«

Der Wirt schielte vorsichtig zum Barbaren. Auch wenn er diese diebischen Halblinge nicht mochte, allesamt Beutelschneider, was ja jeder wusste, wollte er doch nicht, dass einer seiner Gäste gleich nach dem Eintreten von einem wütenden Barbaren in der Luft zerfetzt wurde.

»Ach, und bring dem riesenhaften Kerl neben mir nochmal dasselbe. Er sieht echt so aus, als könnt's er brauchen.«

Der Hüne zog seine Augenbrauen zu einem einzigen buschigen Strich zusammen und man konnte sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete. Doch konnte er an der freundlichen Einladung zu einem Frei-Met keinen Anlass finden, deswegen dem großzügigen Spender den Kopf abzureißen. Also schnaubte er, ebenso Verachtung wie Dank, vermutlich sogar beides und drehte Wirt und Halbling demonstrativ den Rücken zu, freilich erst nachdem er seinen Met geleert und den Spendierten nachgeschenkt bekommen hatte.

Der Halbling grinste vergnügt und trank zufrieden ein paar Schlucke seines Biers.

»Ziemliche Bude hier, was?«, er grinste dabei breiter und nickte dem Wirt zu.

»Nicht mehr allzu viele Gäste, hm?«

Treublum Butterfass war an sich kein streitsüchtiger Mann, aber etwas in Ton des Halblings störte ihn gewaltig. Wie kam der kleine Hosenscheißer dazu, sich über seine Taverne lustig zu machen! Er, der sicher in seinem, Leben noch keine einzige Stunde mit ehrbarer Arbeit verschwendet hatte? Man kannte schließlich diese kleinen Diebe und Taugenichtse.

Da kam dem Wirt ein Gedanke und er musste sich bemühen nicht hinterhältig zu grinsen.

»Sagt mal, Meister Halbling. Lust auf eine kleine Wette?«

Der Halbling schaute interessiert.

»Sollte es Euch gelingen, den Großen hier, innerhalb der nächsten Minute zum Lachen zu bringen, bekommt ihr Essen und Trinken den ganzen Abend frei, ich lege sogar noch ein Silberstück drauf!«

Die braunen Augen des Halblings weiteten sich und Butterfass erkannte, dass er ihn hatte. »Abgemacht!«, sagte der Kleine, spuckte in seine Handfläche und hielt sie dem Wirt hin. Dieser zögerte kurz einzuschlagen, so sicher wirkte der Halbling.

»Abgemacht!«, stimmte er dennoch zu.

 

Der Halbling tippte den Barbaren am Rücken an, der drehte sich unwillig herum und beugte sich ihm herunter als der Kleine ihn durch Winken dazu bat.

Für die anderen unhörbar, flüsterte der Winzling dem Hünen etwas ins Ohr.

Der Barbar zuckte zurück und für einen Moment hielt die Welt den Atem an, denn dem ungläubigen Blick des Riesen konnte doch eigentlich nur brutale Gewalt folgen. Doch stattdessen lachte Thorgar, lachte und lachte, musste sich sogar an der Theke festhalten, sonst hätte es ihn umgeworfen.

»Du bist mir einer! Ich bin Thorgar Viertöter. Unglaublich. Du bist ein wahrer Spaßvogel!«

Für seine Verhältnisse sanft, klopfte er dem Halbling auf die Schulter, was jenen dennoch fast vom Stuhl warf.

»Hehe, ja, bin ich wohl. Bolbib Taschin, so heiße ich.«

Mit säuerlicher Miene musste der Wirt mit ansehen, wie der Hüne und der Kleine Freundschaft schlossen. Doch so leicht wollte er nicht aufgeben.

»Hey, Meister Taschin«, beugte er zum Halbling, als der Barbar kurz zum Elben gegangen war und diesem in einer Art barbarischer Entschuldigung einen Becher Wein brachte.

»Gewinn oder nichts? Schafft ihr es Euren neuen Freund zum Weinen zu bringen, lege ich sogar noch zwei weitere Silberstücke drauf. Wenn nicht, verliert Ihr das erste Silberstück wieder.«

Der Halbling zögerte kurz, hielt aber wieder seine Hand hin. »Abgemacht!«

Zufrieden schlug der Wirt ein. Niemand würde je diesen Barbaren zum Weinen bringen.

»Hey Thorgar, ich muss mal austreten, Platz für neues Bier schaffen. Komm'st mit?«

Gemütlich brummend stimmte der Barbar. »Hm, gute Idee.«

 

Die Beiden verließen die Taverne einträchtig, doch nach zwei Minuten kam der Barbar alleine wieder.

Wortlos setzte er sich an die Theke, starrte in seinen halbleeren Methumpen und seufzte schließlich zum Steine erweichen, sogar eine Träne löste sich von seinem linken Auge, rann über die tätowierte Wange, schlängelte sich durch den wild wuchernden Bart und tropfte endlich einsam in den schimmernden Met.

Der Wirt befürchtete schon das Schlimmste und wollte, vom schlechten Gewissen geplagt, nach dem Halbling sehen, als dieser wieder eintrat. Er ging direkt zur Theke, schob seinen Stuhl dicht neben den Barbaren, stieg hoch und klopfte seinem neuen Freund mitfühlend auf den Unterarm.

Völlig verdattert starrte Butterfass von einem zum anderen, witterte gar Betrug.

»Gut Ihr habt gewonnen..., aber zuerst will ich wissen, was Ihr zu ihm gesagt habt.«

Bolbib zuckte lächelnd mit seinen schmächtigen Schultern.

»Na schön. Zuerst habe ich ihm geflüstert, dass mein Pimmelmann größer ist als seiner ...«

Butterfass nickte verstehend, unterdrückte sogar ein Grinsen. »... und dann ...?«

»... sind wir zum Pinkeln raus und ich habe es ihm bewiesen ...«

 

 

08.12.2017

Tom Stark - zum Lesen geeignet